Fieti und Mulli
Sie waren fünf und sechs Jahre alt, Wohnungskatzen, geimpft und kastriert und hießen "Candy" und "Gina". Wir haben sie sofort umgetauft und ihnen die prosaischen Namen "Fieti" und "Mulli" gegeben. Es hat sie nicht gestört. Sie werden sowieso selten mit ihrem Namen angeredet. Meistens heißen sie "Dicker, Fiedeli, Süßer, Herzblatt, Mäuschen, Schnucki, Süße, Zuckerhase" und was einem sonst noch einfällt! Sie kamen, und nahmen nach und nach die Wohnung und mich in Besitz. Zuerst aber wurden sie sehr krank. Sie hatten hohes Fieber, niesten und die Augen tränten. Wir mussten jeden Tag mit ihnen zum Tierarzt fahren. Jede mit einer Katze im Korb auf dem Fahrrad. Das war für die Katzen stressig und für uns auch. Zuletzt hat sich Fieti geweigert in den Korb zu gehen.
Zehn Tage lang haben die Katzen nichts gefressen. Wir waren sehr besorgt. Mulli war die erste, die sich erholte. Sie hatte auch bald kein Fieber mehr. Bei Fieti hat es noch etwas gedauert, aber er fing auch an zu fressen. Nun hatten wir das Problem, was mögen sie? Auf ihrer Karteikarte stand nichts. Sie waren nicht mit gekochtem Fisch oder Hühnerfleisch zu begeistern. Wir probierten alle möglichen Sorten Katzenfutter durch. Ich weiß jetzt nicht mehr, welche Sorte ihnen endlich genehm war, aber wir merkten bald, dass sie "Häppchenfresser" waren. Das war sehr unangenehm. Jeder Katzenhalter weiß, dass Katzenfutter stinkt! Wenn es schnell aufgefressen wird, macht es ja nichts. Aber wir mussten die Teller mit dem Futter stehen lassen, und unsere ganze Wohnung stank allmählich nach Katzenfutter. Wie habe ich unsere Nachbarin beneidet, deren Wohnung immer ein zarter Parfumduft anhaftet! Wir waren froh, dass die Katzen wenigstens ab und zu rohe Leber fraßen.
Nachdem wir uns aneinander gewöhnt hatte, merkten wir, dass mit Mulli etwas nicht stimmte. Sie hatte einen Putzzwang, und ihr Bauch und die Schenkel waren kahl und ledrig. Der Schwanz sah aus wie eine dünne Drahtbürste. Der Tierarzt nahm eine Probe von ihrer Haut und schickte sie ein. Da war aber alles in Ordnung. Es wäre ein psychisches Problem, meinten die Fachleute. Wer weiß, was die arme kleine Katze alles erlebt hatte! Wir gingen sehr liebevoll mit ihr um, und hofften, dass dadurch das Problem mit der Zeit gelöst würde. Ihr Fell wuchs auch allmählich wieder nach, aber jetzt war sie maßlos verwöhnt, und sie bestand darauf, weiter so behandelt zu werden!
Die Katzen entdeckten bald die Freiheit. Zuerst verirrten sie sich regelmäßig, und wir mussten sie nach Hause holen. Fieti saß immer vor der falschen Terrassentür und Mulli in einem bestimmten Gebüsch. Einmal aber war sie nicht zu finden. Wir suchten die ganze Gegend ab, vergebens! Sie kam nicht nach Hause, die ganze Nacht nicht! Ich konnte nicht schlafen und bin immer wieder aufgestanden, weil ich hoffte, sie stände vor der Terrassentür. Am nächsten Morgen machten wir uns sofort auf und suchten die weitere Umgebung ab. Die Nachbarn waren sehr hilfsbereit und ließen uns in ihren Gärten nachschauen. Und dann fanden wir sie auch. Sie saß ganz verängstigt unter der Treppe eines Nachbarhauses. Ich glaube, sie war froh, als ich sie zurücktrug. Dann kam der Herbst. Es war ein schöner Herbst und die Blätter rieselten von den Bäumen. Das war für Fieti etwas ganz Neues und ungeheuer aufregend! Er sprang wie verrückt hinter den Blättern her und wollte alle auf einmal fangen.
Dann trug er die "Beute" in die Wohnung. Aber bei diesen harmlosen Spielen blieb es nicht. Sein Raubtierinstinkt erwachte, und was er dann in die Wohnung brachte, waren Mäuse! Wir hatte ihm das gar nicht zugetraut und waren überrascht und nicht sehr erfreut, als sich unsere Wohnung mit Mäusen füllte. Fieti fraß die Mäuse nicht, er spielte mit ihnen, was für die Mäuse kein Vergnügen war. Nach Möglichkeit jagten wir sie ihm ab, und brachten die Mäuse nach draußen in Sicherheit. Mulli lernte auch das Mäusefangen. Sie aber fraß die Mäuse auf dem Rasenstück vor unserer Terrasse auf. Dabei machte sie alle Leute mit lautem Geschrei auf sich aufmerksam. Mulli ist sehr redselig und hat eine laute Stimme. Unter ihren Ahnen muss sich eine Siamkatze und eine Karthäuserkatze befinden. Sie sagt sogar richtige Wörter: "Mama" und "Na". Aber ihre normale Ausdrucksweise ist ein schrilles "Nä".
Wenn man nicht reagiert, schwillt es zu einem lauten Crescendo an und ihre Augen blicken empört. Ich bezweifle manchmal, dass sie eine richtige Katze ist! Vielleicht ist sie "Die Katze aus dem Weltall".
Fieti ist ein Halbperser mit einer flachen Nase und einem breiten Mund. Seine Bernsteinaugen stehen etwas schräg. Als unsere betagte Nachbarin hörte, dass wir einen "roten" Kater haben, sagte sie:"Nee, rote Katzen mag ich nicht!"Jetzt ist Fieti ihr Liebling, obwohl er gar nichts von ihr wissen will. Aber er kommt auf ihre Terrasse, trinkt aus der Vogeltränke und schaut abends durch das Fenster, ob sie da ist. Dann geht er befriedigt auf seinen Beobachtungsposten. Er sitzt auf ihren Gartenmöbeln, und sie wischt klaglos seine Spuren weg. Fieti mit seinem runden Kopf und seinem dichten Fell ist der Liebling aller. Seine Worte beschränken sich auf "Mäh". Nur wenn er gut gefressen hat, gibt er unbestimmte gutturale Laute von sich. "Miau" hat keine unserer Katzen gesagt, "Mau" und "Wau", aber ohne ein "i", weshalb ich nicht begreifen kann, warum den Katzen ein "Miau" angedichtet wird!
Das Revier unserer Katzen ist sehr klein und überschaubar. Es beschränkt sich auf die Gartenanlagen unserer Wohngemeinschaft. Aber da es hier viele Katzen gibt, bleiben Revierkämpfe nicht aus. Unsere beiden Katzen haben viele Blessuren ertragen müssen. Manche waren nicht so harmlos. Fieti war früher ein großer Springer. Am liebsten saß er oben auf der Schrankwand und blickte von dort in den Park. Er machte das ganz geschickt, sprang auf den ersten Absatz, von dort auf die wackelige Türkante und dann auf den Schrank.
Ob er sich beim Herunterspringen oder durch einen Kampf verletzt hat, wissen wir nicht. Er verrenkte sich seine Hüfte und kann seit der Zeit nicht mehr springen, allenfalls noch vom Gartenstuhl, an dem er sich hochzieht, auf den Tisch. Da er keine Schmerzen hat, wollte der Tierarzt ihn nicht operieren. Ich bin auch überzeugt, dass Fieti, wenn es sein muss, noch springen und rennen kann.
Auf der nächsten Seite geht es weiter mit Willi.